
Wenn man über gute Gestaltung spricht, fällt oft zuerst das Wort „Typografie“. Doch während Schriftwahl, Größe und Zeilenabstand viel Aufmerksamkeit bekommen, bleibt ein unterschätztes Detail häufig unbeachtet: die Spationierung – also der Abstand zwischen Buchstaben. Dabei beeinflusst gerade sie, wie professionell, harmonisch und lesbar ein Text, ein Slogan oder ein Logo wirkt.
In diesem Beitrag erfährst du, was Spationierung eigentlich ist, wie sie sich zur Laufweite und zum Kerning verhält und warum du beim Design nie den Buchstabenabstand dem Zufall überlassen solltest.
Was ist Spationierung eigentlich?
Spationierung bezeichnet ganz allgemein den Abstand zwischen Buchstaben. Oft wird der Begriff synonym mit „Laufweite“ verwendet, was im Alltag okay, typografisch aber etwas ungenau ist. Deshalb hier ein kurzer Überblick:
- Laufweite: Der gleichmäßige Abstand zwischen allen Buchstaben eines Wortes oder Textabschnitts.
- Kerning: Die individuelle Anpassung des Abstands zwischen zwei bestimmten Buchstaben, z. B. bei Paaren wie „A V“ oder „T o“.
- Spationierung: Meint häufig die bewusste Vergrößerung der Buchstabenabstände, z. B. zur optischen Betonung oder in Logos.
Im Designalltag laufen diese Begriffe oft zusammen – wichtig ist vor allem, zu verstehen: Du hast Einfluss auf die Abstände. Und du solltest ihn nutzen.
Warum Spationierung kein Luxus, sondern Pflicht ist
Typografie transportiert nicht nur Inhalte, sondern auch Stimmung und Qualität. Ein falsch gespationierter Text wirkt schnell unruhig, unausgewogen oder schlicht: unprofessionell. Hier einige typische Probleme bei falscher Spationierung:
- Zu wenig Abstand: Buchstaben kleben aneinander, Wörter wirken gedrungen und schwer lesbar.
- Zu viel Abstand: Die Zusammengehörigkeit der Buchstaben geht verloren, das Auge muss „springen“ – das Lesen wird anstrengend.
- Inkonsequenz: Einige Buchstabenpaare stehen enger, andere weiter – das Gesamtbild wird unruhig.
Gerade bei Headlines, Logos oder anderen stark sichtbaren Texten fällt schlechte Spationierung sofort auf – auch wenn die meisten Betrachter nicht genau benennen können, warum es „nicht gut aussieht“.

Wann und wo du die Spationierung bewusst einsetzen solltest
1. In Headlines
Überschriften sind Blickfänger – aber nur, wenn sie auch optisch wirken. Eine gute Spationierung kann hier viel ausrichten:
- Großbuchstaben wirken schnell eng – eine leichte Vergrößerung der Laufweite (z. B. +20 bis +60 im Tracking) kann die Lesbarkeit stark verbessern.
- Schriftstil beachten: Condensed Fonts brauchen oft mehr Luft, serifenlose Schriften kommen mit weniger aus.
2. In Logos
Logos leben von Balance und Präzision. Ein schlecht gespationiertes Wortbild kann die gesamte Wirkung kippen:
- Prüfe jedes Buchstabenpaar – notfalls manuelles Kerning.
- Nutze optische Ausgleichsflächen: Der Abstand zwischen „A“ und „V“ muss oft vergrößert werden, obwohl die Grundabstände technisch korrekt sind.
3. In Fließtexten
Auch im Mengentext spielt Spationierung eine Rolle – wenn auch subtiler:
- Serifenlose Schriften (z. B. Helvetica) brauchen häufig etwas mehr Laufweite, um auf Papier oder Bildschirm gut lesbar zu sein.
- Ein Wert zwischen +10 und +30 im Tracking kann Wunder wirken – probier es aus.
Wie du die perfekte Spationierung findest – ein Praxisleitfaden
Es gibt keine universelle Regel, die immer gilt. Aber es gibt eine Checkliste, die dir hilft, systematisch an die richtige Spationierung heranzugehen:
1. Starte mit dem Kontext
- Wo wird der Text verwendet? (Print, Web, Logo, Button)
- In welcher Größe? (10pt, 50pt, responsive?)
2. Betrachte die Schriftart
- Hat die Schrift von Haus aus enge oder weite Buchstaben?
- Wie ist das Kerning voreingestellt? Manche Schriften (z. B. Display-Fonts) sind automatisch eher eng gesetzt.
3. Teste die Wirkung
- Druck dir den Text aus oder schau ihn dir auf dem finalen Medium an.
- Lies mit Abstand – fällt dir eine Lücke oder ein „Zusammenkleben“ auf?
4. Arbeite manuell nach
- Passe die Laufweite in kleinen Schritten an (in Adobe-Programmen z. B. in 10er-Schritten).
- Nutze bei problematischen Buchstabenpaaren die Kerning-Funktion – oder stelle auf „manuell“ und justiere selbst.
5. Nutze Hilfsmittel
- Optische Vergleichslinien oder Grid-Overlays können helfen, Abstände besser einzuschätzen.
- Tools wie Glyphs oder FontLab bieten tiefere Eingriffe in die Schrift selbst – falls du typografisch auf Profi-Level arbeiten willst.

Spationierung im Webdesign – ein Spezialfall
Im Web gelten eigene Regeln. Während du in Print präzise mit Laufweite und Kerning arbeiten kannst, bist du im Web oft auf CSS beschränkt:
Typografie ist Rhythmus – Spationierung ist Taktgefühl
Gute Gestaltung lebt vom Detail. Und Spationierung ist eines dieser Details, die über „ganz okay“ oder „wow, sieht das gut aus“ entscheiden. Hier nochmal die wichtigsten Punkte:
- Spationierung betrifft den Abstand zwischen Buchstaben – und ist mehr als ein rein technisches Thema.
- Passe die Laufweite je nach Schrift, Medium und Zweck individuell an.
- Achte besonders auf Headlines, Logos und Buttons – hier macht es den größten Unterschied.
- Nutze deine Tools – und dein Auge. Spationierung ist kein exakter Messwert, sondern eine Frage des Gefühls.
Fazit: Spationierung braucht Aufmerksamkeit – und ein gutes Auge
Typografie ist kein Selbstläufer. Wer sich mit Buchstaben beschäftigt, sollte auch mit ihren Abständen umgehen können. Spationierung ist dabei kein „Nice to have“, sondern ein zentrales Mittel, um Qualität und Wirkung in der Gestaltung sichtbar zu machen.
Die gute Nachricht: Du brauchst kein Typo-Studium, um es besser zu machen. Ein bisschen Aufmerksamkeit, ein paar Tests – und dein Text wirkt sofort souveräner. Versprochen.